Pariser Straße 96 – eine Adresse, die man sich in Nieder-Olm merken sollte. Seit einigen Monaten gibt es hier einen „Unverpackt„-Laden. Gründer sind Rebecca (l.) und Florian Koss sowie Gabriela Ziegler (r.). Im Gespräch mit Gewerbetreff-Initiator Udo Foerster berichtet Florian Koss, wie alles begann und welche Erfahrungen, Pläne und Ziele das Gründerteam umtreiben.
Herr Koss, im Team haben Sie in Nieder-Olm den ersten „Unverpackt“-Laden in Rheinhessen gegründet. Was war die Motivation von Ihrer Frau, Frau Ziegler und Ihnen selbst?
Meine Frau Rebecca und ich haben mit unseren Töchtern an einem Experiment für die ZDF-Kindersendung Pur+ teilgenommen. Ziel war es, vier Wochen ohne Plastik zu leben. Dafür wurden auch vorher und nachher getestet, ob und wieviel Plastikbestandteile z.B. von Weichmachern, sich in unseren Körpern befinden. Das „Vorher“-Ergebnis war echt erschreckend. Von jedem getesteten Bestandteil waren bei jedem Familienmitglied teils hohen Dosen nachweisbar. Das positive Ergebnis aus dem Experiment: bereits nach 4 Wochen Reduzierung von Plastik im Haushalt, gingen die Werte bei allen deutlich runter. Eine Sache, die wir in dem Zeitraum geändert haben, war dass wir auch bei dem Unverpackt Laden in Mainz eingekauft haben. Da es immer umständlich war, nach Mainz zu fahren, haben wir mal aus Spaß gesagt, wir bräuchten so einen Laden auch hier. Aus diesem Spaß wurde dann aber zunehmend Ernst, denn die Idee hat uns mehr und mehr begeistert, vor allem aufgrund all des Feedbacks aus dem Freundes- und Familienkreis, mit dem wir die Idee geteilt haben. Als wir dann im Rahmen von ersten Recherchen und Gesprächen noch Gabriela Ziegler kennengelernt haben, wurde es dann immer konkreter. Gabriela Ziegler hat sich schon länger mit dem Thema beschäftigt, um für sich und andere eine Möglichkeit zu schaffen gesund und nachhaltig einzukaufen und suchte noch jemanden, mit dem sie einen solchen Laden aufmachen konnte. Gemeinsam haben wir uns etwa ein Jahr vorbereitet, bevor wir Mitte März eröffnet haben.
Zum Nieder-Olmer Laden: Was haben Sie hier alles im Sortiment?
Wir haben mittlerweile über 1.000 Lebensmittel und Waren des täglichen Gebrauchs im Angebot. Das reicht von A wie Amaranth bis Z wie Zahnpasta im Glas. Alle Angebote eint, dass sie entweder komplett ohne oder nur mit der unbedingt notwendigen Verpackung verkauft werden. Die Kunden*innen bringen idealerweise ihre eigenen Gefäße mit und füllen sich dann nur soviel von den jeweiligen Waren ab, die sie auch wirklich benötigen. Das vermeidet Lebensmittelverschwendung und spart Kosten, zumal nicht auch noch Verpackung und Müllgebühren mitbezahlt werden müssen.
Grundsätzlich liegt der Schwerpunkt auf Bio und möglichst regionalen Herstellern und Lieferanten. So haben wir auch einige Kooperationen mit Anbietern direkt aus Nieder-Olm oder der Umgebung: vom aus unseren Zutaten gebackenen Brot und Bäckermüsli, über Kaffee, Freiland-Eier, Honig und verschiedenen Getränken hinzu Nudeln aus Freiland-Eiern.
Wie haben die Kundinnen und Kunden Ihr Angebot bisher angenommen?
Bereits in der Vorbereitung haben wir tolles Feedback erhalten. Sowohl bei der Crowdfunding-Kampagne, die wir im Vorfeld gemacht haben, als auch während der Umbau-Maßnahmen, von Passanten, die sich auf die Eröffnung gefreut haben. Seit der Eröffnung sehen wir immer wieder, dass Leute mal „zum Schauen“ reinkommen, da sie das Konzept auch noch nicht kennen, sondern nur davon gehört haben. Es ist dann schon noch eine Umstellung seiner Einkaufsgewohnheit, wenn man regelmäßig bei uns einkauft. Mittlerweile haben wir aber auch schon eine Reihe von Stammkunden, die tatsächlich erst bei uns den Bedarf decken und dann ggf. noch im Supermarkt, die Sachen besorgen, die sie nicht bei uns gefunden haben. Bei über 1.000 Produkten, kann man den alltäglichen Bedarf aber ganz gut bei uns abdecken.
Bieten Sie auch vegane Produkte „unverpackt“ an?
Ja, wir haben eine ganze Reihe von veganen und z.B. auch glutenfreien Produkten. Das ist ja ein Vorteil von Unverpackt-Läden, dass sie dort natürliche und ursprüngliche Lebensmittel bekommen und keine industriellen Produkte, die auch oft z.B. mit Konservierungs- und Zusatzstoffen hergestellt sind, die auch immer häufiger zu Lebensmittelunverträglichkeiten führen. Das vegane Angebot reicht von Süßigkeiten, über Ei-Ersatz und Wonig (statt Honig) bis hin zu Seitan und Tofu von lokalen Anbietern.
Was sind Ihre Ziele und Pläne von „Unverpackt“ – sagen wir für die nächsten zwei bis drei Jahre?
Momentan konzentrieren wir uns darauf in Nieder-Olm und Umgebung noch bekannter zu werden und wollen mit hoffentlich zurückgehenden Covid-19-Einschränkungen mehr von den ursprünglich angedachten Seminar- und Workshop-Angeboten zu verschiedenen nachhaltigen Themen und Lebensstilen anbieten. Bereits jetzt bestehen Kooperationen mit Schulen und Kindergärten, wir werden für Vorträge gebucht oder gehen in Privathaushalte und beraten dort bei der Umstellung auf plastikfreie Haushalte.
Aufgrund der Größe des Ladens stoßen wir leider jetzt schon an Grenzen, wenn es darum geht, noch weitere Produkte mit aufzunehmen. Mittelfristig sind wir gerade schon in Gesprächen für die Eröffnung eines weiteren Ladens in Nierstein. Dort soll eine Art Dorfladen aufgebaut werden, für dann man sich von Seiten der Stadt sehr gut einen Unverpackt-Laden vorstellen könnte. Außerdem schauen wir gerade nach einem Unverpackt-Mobil, mit dem wir gerne demnächst durch verschiedene Orte in Rheinhessen fahren und auf kleinen Märkten stehen möchten. Auch diese Art des Unverpackt-Einkaufens wird immer populärer. Dann könnten wir aus dem Laden heraus auch das Mobil betreiben. Das würde sich gegenseitig gut unterstützen.